18
Nov
2005

Nachruf auf eine Alraune

Mein Alraunen-Tagebuch 2003

"Die klügsten Waldgeister sind die Alräunchen,
Langbärtige Männlein mit kurzen Beinchen,
Ein fingerlanges Greisengeschlecht
Woher sie stammen, man weiß es nicht recht."

(Heinrich Heine)

Freitag der 13. Juni 2003

Heute habe ich mein Alraunen-Mädchen „adoptiert“. Es war irgendwie passend! Eine schöne Stimmung! Freitag der 13. und ein wundervoller, riesiger, orangefarbener Fast-Vollmond. Als ich vom Zaubertrank zurückradelte, mit meiner Alraune und einer Tollkirsche im Fahrradkorb auf dem Gepäckträger, hörte ich die kleine Alraune zum ersten Mal. Ziemlich massive Beschwerden über meine unvorsichtige Fahrt und das Gehollpere. Hihi... Na gut, ich fuhr etwas langsamer und passte auf, dass ich nicht so unwirsch über die Kantsteine heizte. Zu Hause angekommen bemerkte ich auch, dass sie sehr unglücklich in ihrem kleinen Topf zu sein schien. Na, das ist ja auch kein Wunder! So ein kleiner Plastiktopf... Ich beschloss, sie gleich morgen bei Vollmond in den Garten zu bringen und einzupflanzen. Allerdings fiel mir dann auf, dass es sich ja um eine Wurzelpflanze handelt, und Wurzelpflanzen pflanzt man doch besser bei abnehmendem Mond, oder? Ich habe mich noch einmal mit Lilli kurzgeschlossen, die sich mit Astrologie etwas besser auskennt als ich, und sie bestätigte mir meine Überlegungen. Also muss sie sich nun noch einen Tag länger gedulden, und wird dann einen Tag nach Vollmond in den Garten ausgepflanzt!

Hans-Georg Schaaf vom „Zaubertrank“ in Hamburg hatte das "Mädel" übrigens netterweise für mich bestellt und mir, als ich sie abholte noch folgende Tipps mit auf den Weg gegeben:

Im Topf?

Ich sollte sie möglichst bald aus dem Topf in die Erde bringen, denn die Alraune brauche einen tiefen Untergrund um ihre Wurzel ausbilden zu können. Das war mir eigentlich schon klar, und ich fragte ihn, ob es denn theoretisch möglich sei, die Pflanze in einem Topf zu ziehen, wenn dieser nur tief genug sei, was in meiner Vorstellung etwa 50 cm geheißen hätte, denn ich hatte gelesen, dass die Herbstblühende Alraune (Mandragora autumnalis) eine Wurzel von ca. 40 – 50 cm ausbilde – im Gegensatz zu der Frühjahrsblühenden (Mandragora officinarum), deren Wurzel meines Wissens 50 – 60 cm lang werden konnte. Hans-Georg klärte mich jedoch auf, dass er bereits Alraunen-Wurzeln von nahezu einem Meter gesehen hätte. Und so erledigte sich meine Vorstellung, eine Alraune gegebenenfalls im Topf groß zu ziehen.

Geduld

Ich wunderte mich etwas, weil ich in dem kleinen Topf eigentlich nichts von der Pflanze sah, außer einigen sehr kleinen, verwelkten Blättern. Hans-Georg klärte mich darüber auf, dass die Blattbildungsphase der noch sehr jungen Pflanze bereits vorbei sei. Ich dachte ja eigentlich, dass sie in diesem Herbst noch blühen würde... hmmmm... Ich schaute Hans-Georg wohl etwas enttäuscht an, so dass er begann mir zu erklären, dass man mit Alraunen etwas Geduld haben müsse. In den ersten circa sieben Jahren investieren die Pflanzen ihre Kraft hauptsächlich in die Wurzel. Jedes Jahr im Frühling bilden sie einige kleine Blätter, jedes Jahr nur ein oder zwei mehr, bis sie nach einigen Jahren eine schöne Blattrosette ausgebildet haben und erst im siebten Jahr, oder auch erst später, zum ersten Mal blühen.

Hegen und Pflegen

Die Alraune braucht einen sonnigen, warmen, aber nicht zu trocknen Platz mit tiefem Untergrund. Ich bekam noch den Tipp, ein totes Tier, falls ich zufällig noch eines am Wegesrand fände, am Fuße der Wurzel mit beizusetzen. Das gebe der Pflanze mit Sicherheit die nötige Energie. Aber, ehrlichgesagt, das ist mir dann doch etwas unheimlich! Ansonsten gab Hans-Georg mir noch mit auf den Weg, dass es sehr wichtig sei, die Pflanze vor Kaninchen zu schützen, da diese alle Nachtschattengewächse sehr liebten, und sich auf Alraunen geradezu stürzten, als seien sie eigens für sie angepflanzt worden. Es sei also ratsam, in den ersten Jahren, sobald sich die Pflanze zeigt, einen kleinen Zaun um sie herum zu errichten. Jedoch sollte der Zaun möglichst nicht ins Erdreich hineingesteckt werden, oder wenn dann nur an möglichst wenigen Pfählen befestigt, damit sich die zarten Haarwurzeln der Alraune nicht um den Zaun wickeln. Wenn man dann nämlich den Zaun wieder entfernen möchte und sich inzwischen schon einige Wurzeln an den Zaun krallten, sei es eine leidvolle Angelegenheit, die Wurzeln der Alraune zu beschädigen. Alraunen sind nämlich äußerst schmerzempfindlich und schreien und heulen grauenvoll, wenn man ihre Wurzeln kappt.

Sonntag der 15. Juni 2003

Um 14.00 Uhr heute Mittag habe ich mein Alraunen-Mädchen in den Garten gebracht und sie gemeinsam mit der ebenfalls bei Hans-Georg Schaaf erstandenen Tollkirsche (Atropa komaroni) in eine ausgewählte Ecke meines Kräutergärtchens ausgepflanzt. Ich hatte diese Stelle schon längere Zeit für die Alraune ausgeguckt, und als ich nun im Garten ankam, dachte ich, zuerst einmal mit der Pflanze durch den Garten zu gehen, und sie ihren Platz selbst wählen zu lassen. Sie führte mich jedoch geradewegs und ohne Umschweife zu der vorgesehenen Stelle. Ich denke, diese ist auch ziemlich perfekt! Halbschattig, genügend Platz zur Ausbreitung für die zwei Pflanzen und in direkter Nachbarschaft viele weitere „starke“ Pflanzen: Efeu, Mädesüß, Salbei, Lavendel, Rhabarber, Rosmarin, Heilziest, Odermenning und viele andere...

Als ich die Alraune vorsichtig aus ihrem Topf holte, hatte ich quasi eine einzige Wurzelknolle in der Hand. Sie scheint ihr Leben bisher nur in diesem Töpfchen verbracht zu haben, denn der Wuchs der Wurzel war dem Töpfchen genau angepasst. Am oberen Ende nur ein dickerer Wurzelteil, teilte sie sich hingegen am unteren Ende in mehrere, dünnere Wurzeln, die ein wenig aussahen, wie wuselig eingedrehte Regenwürmer. Vorsichtig habe ich sie mit ihrer gewohnten Topferde in ein nicht allzu tiefes Loch gesetzt und sie mit lockerer Gartenerde bedeckt. Dann fix noch ein wenig angegossen! Ich hatte das Gefühl, das Pflänzchen war nun äußerst zufrieden und fühlte sich auch in der Gesellschaft der Tollkirsche sehr wohl. Außer einem zufriedenen Gemurmel war nichts mehr zu „hören“. Wahrscheinlich schaut sie sich nun erst mal um und ist in den nächsten Tagen sicher ganz mit sich und ihren „Nachbarn“ beschäftigt!

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Tja, zu mehr Erfahrungsberichten kam ich leider gar nicht mehr.... Ich habe zwar im ersten Jahr noch häufiger mal in die Erde hineingelauscht, und im Herbst bildete das Alräunchen auch tatsächlich Blätter.... Ich war begeistert.... Nur vergaß ich dann zu schreiben.... War leider in der Zeit mit anderen Dingen stark belastet... Naja... Und im Winter muss sie dann - trotz sorgfältiger Laubabdeckung gegen die Kälte - erfroren sein... Oder aber es war, wie ich inzwischen eher vermute, die starke Feuchtigkeit unseres moorigen Gartenbodens.... *schnupf* Jedenfalls kam im nächsten Jahr kein Blättchen mehr aus dem Boden....
scherenschnitt

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